Irgendwie lustig, diese drei Hexen, die sich gegen 13 Uhr auf der Wiese hinter dem Sonnenblumenhaus gegenseitig zu Gewaltaktionen gegen Fremde aufschaukeln. Aber irgendwie auch wieder gar nicht lustig: Sie zeigen sehr klar die innere Logik, die eine aufgebrachte Menschenmasse dazu antreibt, Steine auf andere Menschen werfen. Diese Steine sind aus Knete, aber was das Straßentheater „Parias“ aus Berlin rüberbringt, ist trotzdem ganz schön hart.

Ihr kleines Stück verarbeitet die Anekdoten, die man aus den Erzählungen über die Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen kennt: der Journalist, der einem Jungen Geld in die Hand drückt, damit der vor laufender Kamera einen Stein wirft. Die „Das Boot ist voll“-Politikerreden, die damals dafür sorgten, dass die Nazis sich im Recht fühlen konnten. Wie systematisch sich Akteure und Mitläufer die natürlichen Hemmschwellen wegsaufen. „Die Verstörung soll wieder nachempfunden werden“, erläutert Odile Almuneau nach dem Stück. „Deshalb ist unser Humor so zynisch. Wir sind nicht moralisch, wir zeigen nur den Spiegel.“

 

Neben der Vip-Schleuse lässt sich der Linke-Politiker Steffen Bockhahn von einem kleinen Jungen mit Presseschild interviewen – vor laufenden Kameras des Rostocker offenen Kanals. Das Medienprojekt „Check out Lichtenhagen“ ist in Arbeit, die Akteure sind  Jugendliche aus Lichtenhagen, die sich auf Expedition durch ihren Stadtteil begeben – und natürlich spielen die Pogrome von 1992 da eine zentrale Rolle.

Ein Fernsehteam bittet eine vietnamesische Familie, nochmal langsam an ihnen vorbeizugehen. Sie tut es lächelnd und gibt sich Mühe, nicht in die Kamera zu blicken. Die Brüder Tung und Due Vu Duc vom Ostseegymnasium haben von ihren Eltern viel über die Pogrome von Lichtenhagen gehört. „Aber es ist nicht so, dass wir jeden Tag damit konfrontiert werden“, sagt Tung. „Zum Glück.“

Frank Schlößer